Die wahren Herren im Lande

Es galt als die paranoideste Verschwörungstheorie realitätsferner Nerds, als künstliches Schreckensszenario, aufgebaut von unverbesserlichen "Saugern", die auf Biegen und Brechen weiterhin unbegrenzt Musik und "Raubkopien" austauschen wollten, sowie als die Lieblingsspinnerei linker Weltverbesserer, die Orwell’s "Grossen Bruder" hinter jeder Rabattmarke sehen: Ein surreales Schreckensregime, in dem jeder Datentransfer, jede Bewegung jedes Einzelnen, jedes Telefongespräch und jede E-Mail von einer Handvoll skrupelloser multinationaler Konzerne, auch bekannt als die "Contentindustrie" oder altmodischer als "Plattenfirmen" abgefangen, aufgezeichnet und zur Verfolgung von "Urheberrechstvergehen" ausgewertet würde. Das ganze schlimmstenfalls heimlich, ohne Kontrolle durch die Justiz und im Zweifelsfalle gegen den Angeklagten.

Dass die jüngsten -inzwischen erfüllten- Forderungen innenpolititischer Hardliner vom Schlage Schilys oder Schäubles haargenau dem vor wenigen Jahren noch als irrwitzig und ausserhalb jeder Diskussion stehenden Wunschzettel der "Rechteverwerter" entsprachen, fiel nur wenigen, die sich mit dieser globalen Entwicklung kritisch befassten, auf. Unnötig zu erwähnen, dass der Unmut der Allgemeinheit, angefeuert durch das Unisono der Massenmedien, sich auf diese Spassverderber, Terroristenfreunde und ewigen Weltverbesserer konzentrierte, die wohl allesamt etwas zu verbergen hatten.
Nächste Woche wird der Rechtsauschuss des Bundesrates weitere Korrekturen der beschlossenen, jedoch nach wie vor höchst umstrittenen Vorratsdatenspeicherung, beantragen. Diese werden mitnichten einen Rest an schützenswerter Privatsphäre oder die Stärkung des Fernmeldegeheimnisses beinhalten, sondern die Forderung, der Musik- und Filmindustrie direkten Zugang auf die Verbindungsdaten aller Bürger dieses Landes zu gewähren.
Die Behauptungen Schäubles und Konsorten, diese Daten würden lediglich zur "Terrorbekämpfung und Aufklärung schwerer Straftaten herangezogen" wurden nach erfolgter Abstimmung nicht einmal mehr eine Woche lang aufrechterhalten. Der Verdacht dürfte kaum mehr von der Hand zu weisen sein, dass diese grösste Bespitzelungsaktion der Geschichte auf Bestellung der Medienkonzerne und anhaltenden Druck deren Lobby beschlossen wurde. Was die nächste Forderung der selben Köpfe – der sogenannte "Bundestrojaner", der heimlichen Zugriff auf die Festplatten und Computer von "Terroristen und Schwerkriminellen" im selben Kontext bedeuten würde, lässt sich unschwer vorstellen.

Über Tom

"Die meisten 'normalen Leute' in meinem Bekanntenkreis würden mich wohl als 'Computernerd' bezeichnen. Die meisten Computernerds -einschliesslich meiner selbst- wären darüber anderer Meinung."
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