Just be evil

Shub-Niggurath (cc) Dominique Signoret

Just be evil, Google. Oder auch nicht. Falls überhaupt noch jemand einen Gedanken an die Leitsprüche von Konzernen (oder Parteien) verschwendet. Ich habe jedenfalls nichts mehr damit zu tun - und vor allen Dingen brauche ich mir kein schlechtes Gewissen mehr zu machen, weil ich die unbedarfteren meiner Leser der Datenkrake ausliefere. Was bedeutet, dass es (bereits seit einigen Tagen) keine Google-Ads mehr in diesem Blog geben wird. Weder auf der Seite selbst, noch im Newsfeed. Obwohl es ja nicht so ist, dass ich niemanden gewarnt hätte.

Für mich jedenfalls war die Grenze zu "evil" nicht etwa bei der vielgescholtenen neuen Datenschutzerklärung der Überdatenkrake überschritten (die ist zwar frech, war aber erstens zu erwarten und geht -viel wichtiger- erst mal jeden selbst an, hat also nichts mit mir als Publisher zu tun), sondern das absolut untragbare Ding stellt für mich das bei Blogger.com vorexerzierte absolute Negativbeispiel für die Parzellierung des Internet und aktive Beihilfe zur Zensur des Netzes dar. Denn im Gegensatz zu allen anderen Kompromissen, die man diesbezüglich bisher eingehen musste, lässt sich diese absolute Schweinerei nicht damit entschuldigen, man wäre an lokale Gesetze gebunden.

Das wichtigste -und perfideste- Merkmal der Zensur ist, dass über ihr Stattfinden nicht diskutiert wird - und genau das garantiert Google bzw. Blogger.com durch die Einführung individueller Länderkennungen, die, ähnlich wie bei Googles Suchmaschine selbst, je nach Herkunftsland des Besuchers angehängt werden und zu einer landesspezifisch gefilterten, sprich willfährig und für den Besucher nicht wahrnehmbar zensierten Teilvariante des Gesamtinhalts führen. Das lässt sich nur teilweise und äusserst scheinheilig damit begründen, dass zensurbessessene Regimes die Domain sonst vollständig sperren würden, wie dies in der Vergangenheit bereits mehrmals geschehen ist. Denn diese brachialen Zensurmanöver fielen sofort weit über das betroffene Gebiet hinaus auf und führten zu für die Zensoren äusserst unerwünschter Aufmerksamkeit bis hin zu offenem Protest und letztendlichem Scheitern der Zensurbestrebungen, wie unlängst in der Türkei.

Ganz anders dagegen das kadavergehorsame und zensorenfreundliche neue Verfahren: hier wird klammheimlich jedem Besucher das Stück Realität geboten, dass man ihn sehen lassen möchte. Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, was gefiltert oder vorenthalten wurde. Ebenso leicht lässt sich -zumindest auf Blogger.com und wohl auch in der Google-Suche- jede Diskussion über diese Massnahmen restlos mundtot machen.

Dahinter stecken ganz offensichtlich finanzielle Interessen Googles: anstatt auf Besucher aus totalitären Ländern komplett verzichten zu müssen, aber immerhin Flagge zu zeigen, "verzichtet" man eben auf die Auslieferung gewisser "Inhalte" an diese - und macht sich wissentlich nicht nur zum Komplizen der Zensoren, sondern zum Garanten für eine perfekt funktionierende Unterdrückungsmaschinerie. Genausogut könnte man im Grunde Galgenstricke in den Iran liefern.

Über Tom

"Die meisten 'normalen Leute' in meinem Bekanntenkreis würden mich wohl als 'Computernerd' bezeichnen. Die meisten Computernerds -einschliesslich meiner selbst- wären darüber anderer Meinung."
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