Google killt RSS

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Gut, sie haben nicht damit angefangen: die ersten, die dazu übergingen, das offene, in alle Richtungen funktionierende Web 2.0 zu pervertieren, waren Facebook, dann folgte Twitter. Nun hat auch Google nachgezogen und schaltet den Datentransfer auf "alles reinholen, nichts mehr herauslassen" um. Das allerdings mit ziemlich heftigen Methoden. Nachdem Google Reader, mit dem man per RSS-Feeds alle möglichen Nachrichtenkanäle zusammenfassen konnte, knall auf Fall gestrichen wurde, flog nun auch noch die RSS-Erweiterung für Chrome nicht nur aus dem Appstore, sondern wurde, wo sie bereits installiert war, deaktiviert.

Damit ist ziemlich klar, wohin die Reise der "social network"-Datenkraken geht: Nutzer an sich binden, Informationen abschnorcheln, offene Standards und Interoperabilität abwürgen, kurz: die Balkanisierung des Internet. Dem steht ein voll und ganz im Geiste des offenen Netzes funktionierender Standard wie RSS natürlich diametral entgegen: mit RSS lassen sich Informationen aus beliebigen Quellen gleichwertig bündeln, einbinden und weiterverarbeiten, ohne, dass zentralistische Datensilos wie Google oder FB die Kontrolle darüber übernehmen könnten. Ganz ohne Datenklau und Gängelei, wie bei den neuerdings um sich greifenden proprietären APIs oder eingebundenen, javascriptverseuchten Iframes. Bei den "social networks" der zweiten Generation (die ungefähr so sozial sind, wie ein Schlachthof ein beliebter Treffpunkt für Vieh sind) sieht die Strategie dagegen ganz anders aus: Hineinverlinken ist schwierig, externe Inhalte und deren Darstellung unterliegen dem diktatorischen Regime des Betreibers. Raus geht schon mal gar nicht: einen Google+-Feed oder eine FB-Timeline zu exportieren ist schlicht nicht vorgesehen.  Bei Twitter, wo das einst grosszügig gehandhabt wurde steht dem eine API im Wege, die zum einen ("Open"Auth) unzuverlässig und komplex ist, zum anderen willkürlichen Policies unterliegt. Nichts mehr übrig vom ursprünglichen Credo des social web, das eigentlich darauf aufbaute, Inhalte von überall, an jeder Stelle darstellen zu können. Keine Chance mehr, etwa die Schlagzeilen des eigenen Blogs auf einer G+ Profilseite sichtbar zu machen oder umgekehrt. Jeder wird jetzt schön von den anderen getrennt und jegliche Nutzerkommunikation läuft ausschliesslich über den "grossen Bruder". Am liebsten nur noch über eine eigene App, die nebenher noch den momentanen Standort des Benutzers und die Telefonnummern aller Anrufer abschnorchelt, speichert, welche Bücher er liest (falls sie nicht gleich entscheidet, was überhaupt gelesen werden darf) und sein Adressbuch klaut. Wenn das sozial sein sollte, dann viel Spass dabei, liebes Nutzvieh.

Ich mache meinen Krempel lieber weiter selber. RSS gibt es hier weiterhin (wer nicht weiss, was er damit anfangen soll, dem sei RSSOwl wärmstens empfohlen). YouTube geht zum Teufel, Videos hosten kann ich selber und einen eigenen Kalenderserver werde ich als nächstes aufsetzen, denn ich möchte fast wetten, Google-Kalender wird das nächste Opfer der tollwütig gewordenen Datenkrake.  Ist ja nicht so, dass wir das hier nicht selbst und nicht viel besser könnten.

"With Blackjack and hookers", versteht sich...

Über Tom

"Die meisten 'normalen Leute' in meinem Bekanntenkreis würden mich wohl als 'Computernerd' bezeichnen. Die meisten Computernerds -einschliesslich meiner selbst- wären darüber anderer Meinung."
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1 Antwort zu Google killt RSS

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Da könnte ja jeder kommen und kommentieren!

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