VARTA nicht mal was?

XM366 key assigner

Photo: AX11

In der Telepolis beklagt gerade ein Artikel die Tatsache, dass jetzt zwar Elektroautos in Deutschland gebaut werden, aber die Batterien samt und sonders importiert werden. Ausser Samsung hat wohl niemand mehr das nötige Know-How - obwohl genau das lange Zeit eine absolute Domäne hiesiger Firmen war.

Da muss ich wohl auch ein Anekdötchen beisteuern, das gerade gut zum Thema passt: Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre rollte die letzte Generation massenhaft gefertigter -und endlich auch einigermassen erschwinglicher- Analogsynthesizer vom Band. Namentlich Instrumente, wie die legendäre Roland Juno oder die Korg Polysix, die damals natürlich noch nicht als "Analogsynths" vermarktet wurden, denn die digitale Revolution kam erst kurz darauf mit Yamahas DX-Serie, die den vergleichsweise vorsintflutlich anmutenden Analogen dieser Ära ein jähes Ende setzte.

Damals weinte -im Gegensatz zu heute- den Analogsynths kein Mensch eine Träne nach, was gute und praktische Gründe hatte: so ein analoges Maschinchen ist nämlich ein nettes Spielzeug, wenn man, wie es heute allgemein der Fall ist, nicht auf Gedeih' und Verderb darauf angewiesen ist und vor allem noch etliche andere Klangerzeuger zur Verfügung hat. Damals, lange vor den Zeiten von VSTi, multitimbralen Digitalsynths, Rack- und Desktopsynths (oder überhaupt MIDI, Sampling und DAWs) hatte man im Regelfall nur  eine oder zwei solcher analogen Kisten, wenn man einen Goldesel und viel Zeit zum Patchen besass, evtl. noch so ein modulares Monstrum im Frankenstein-Laboratium Look. Sounds wurden damals noch per Herumdrehen an Potis und Knöpfchen (oder bei den Modularsystemen durch Neuverdrahtung der Komponenten) erschaffen, über (winzige) Programmspeicher verfügten nur die neuesten Modelle, Digitalanzeigen beschränkten sich auf zweizifferige 7-Segment-LEDs oder überhaupt nur auf LEDs für Speicherplatz (1-9) und Soundbank (1-4). Womit wir wieder beim Thema Batterie wären. Gleich 🙂 Die Digitalen hatten da natürlich gewaltige Vorteile, was den praktischen Einsatz betraf: Alphanumerische Anzeigen, jede Menge Speicherplätze, immens vielseitige Sounds.

Ein recht beliebter Synthesizer dieser Tage (1978-198?) war der schon erwähnte Polysix aus dem Hause Korg. Der hielt sich noch eine Zeit, unter anderem weil er wenigstens rudimentäre Preset-Speicher besass, so dass man maximal 24 vorher abgespeicherte Sounds per Knopfdruck abrufen konnte, was natürlich eine lebenswichtige Sache bei Live-Auftritten darstellte, wenn man nicht eben vier Synths mitschleppen und on-the-fly programmieren wollte. Die Korgs gerieten dann während der 80er und 90er Jahre, wie auch die Rolands, Moogs, SCs und wie sie alle hiessen zum Grossteil in Vergessenheit, in zweite und dritte Hände, staubten auf Dachböden dahin oder wurden sonstwie "entsorgt". Bis gegen Ende der 90er der grosse digitale Überdruss und das allgemeine Analogsynthliebhaben losging.

Das aber nahmen vor allem die Korgs ihren treulosen Besitzern ziemlich krumm: Urplötzlich, so um 2005 herum rauchten fast alle Polysixen -beinahe gleichzeitig- ab. Je nach Modellreihe ein paar Monate früher oder später, aber innerhalb kurzer Zeit waren sie (mit Ausnahme einiger Geräte, die während eines bestimmten Zeitraums von einer Vertragswerkstatt überholt worden waren) samt und sonders hinüber.

Was war geschehen? Nun, die Polys hatten, wie gesagt, einen permanenten Programmspeicher. An Flash-RAM, in-place reprogrammierbares EEProm oder dergleichen war damals aber noch nicht einmal zu denken. Also hatte man batteriegepuffertes RAM verbaut. Das sollte aber auch wartungsfrei für ein paar Jahre halten (bei Korg in Japan hatte man wohl so an maximal zehn Jahre gedacht, bis die wenigen dann voraussichtlich noch betriebenen Synths einen kleinen Kundendienst samt Akkuwechsel bräuchten), deshalb wurden extra langlebige und zuverlässige Akkus bei Varta im fernen Westdeutschland geordert und verbaut. Die hielten und hielten und hielten, während die  digitalen Wellen von OPS/FM- über Wavetable- bis VA-Synthese auf- und abebbten - ziemlich genau 25 Jahre lang. Dann liefen sie aus. Mit fatalen Folgen, denn die reichlich enthaltene Batteriesäure ergoss sich unbemerkter wie zerstörerischer Weise über die  mit (seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellten) Bauteilen bestückte Platine mit dem kryptischen Namen "XM-366", auf der sie montiert war und ruinierte diese zumeist vollständig.

Der Einzelhandelspreis der besagten Langzeitbatterie soll seinerzeit so um die vier D-Mark fuffzig betragen haben...

Über Tom

"Die meisten 'normalen Leute' in meinem Bekanntenkreis würden mich wohl als 'Computernerd' bezeichnen. Die meisten Computernerds -einschliesslich meiner selbst- wären darüber anderer Meinung."
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